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Antikriegssentiment

Papst Franziskus ließ neuerdings eine Photographie verteilen, auf der ein japanischer Junge nach dem Abwurf der Atombombe auf Nagasaki zu sehen ist. Er trägt seinen toten kleinen Bruder auf dem Rücken:

Die Lippen des vielleicht fünfjährigen Jungen sind blutig gebissen. Er steht starr am Rand eines Feldes, auf dem die Toten verbrannt werden. Er wartet darauf, bis er an der Reihe ist, um seinen toten kleinen Bruder dort abzulegen.

So Vatican News. Auf der Rückseite befindet sich der Kommentar „…il frutto della guerra“ (die Frucht/das Ergebnis des Krieges) und einige Angaben über das Bild.

Zum Anlaß – oder einem der Anlässe – des Tuns von Jorge M. Bergoglio gereichen offenbar die Spannungen auf der koreanischen Halbinsel. Doch der Blick des Papstes reicht weiter:

The gesture is consistent with Francis’s effort since his election to speak out against what he describes as a “Third World War” today, being fought in piecemeal fashion in various parts of the world.

(Diese Geste stimmt mit Franziskus‘ Handeln seit seinem Amtsantritt überein, nämlich dem Eintreten gegen etwas, das er als „Dritten Weltkrieg“ bezeichnet, geführt in Bruchstücken und kleinen Schritten in den verschiedensten Weltgegenden.)

Schön und gut. Niemand, den ich kenne, findet Krieg per se anstrebenswert. Niemand, den ich kenne, wünscht sich einen Atomkrieg herbei. Wozu also das Ganze?

„Aufklärung“ kann kaum gemeint sein. Bei solchen Angelegenheiten noch aufklären zu wollen, trüge die Eulen gleich sattelzugweise nach Athen. Denn es gibt keinen Mangel an Photographien, auf denen kindliche oder jugendliche Opfer von Kriegen zu sehen sind, und viele dieser Bilder sind bekannt oder sogar berühmt.

Zum Beispiel dieses hier aus den Tagen des deutschen Angriffs auf Polen:

Wenn es keine Aufklärung ist, was ist es dann?

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Papst Franziskus: Für einen globalen Sozialstaat

Im Folgenden soll die „Botschaft von Papst Franziskus zum 104. Welttag des Migranten und Flüchtlings 2018“ einer kritischen Lektüre unterzogen werden. Der erwähnte „Welttag“ dämmert zwar erst am 14. Januar 2018 herauf, doch ist das päpstliche Schreiben bereits jetzt verfügbar.

I

Franziskus stellt fest:

Jeder Fremde, der an unsere Tür klopft, gibt uns eine Gelegenheit zur Begegnung mit Jesus Christus, der sich mit dem aufgenommenen oder abgelehnten Gast jeder Zeitepoche identifiziert (vgl. Mt 25,35.43).

Dies bedeute:

Der Herr vertraut der mütterlichen Liebe der Kirche jeden Menschen an, der gezwungen ist, die eigene Heimat auf der Suche nach einer besseren Zukunft zu verlassen. Diese Fürsorge muss konkreten Ausdruck in jedem Abschnitt der Erfahrung der Flüchtlinge finden: von der Abfahrt bis zur Reise, von der Ankunft bis zur Rückkehr.

Hier fällt zweierlei auf. Erstens: War zuvor einem Gast die Rede, vom Einzelnen, geht es nun um Millionen von Menschen. Die Angelegenheit wird also stillschweigend aus dem Bereich der (religiös geprägten) Moral, wo die Begegnung des Einzelnen mit dem Einzelnen wesentlich ist, in den der Politik verlagert, ein zwar nicht moralfreies, aber auch nicht auf Moral reduzierbares Gebiet.

Zweitens: Die Fürsorge soll weit vor dem eigentlichen An-die-Tür-Klopfen beginnen, bei der Abfahrt nämlich, irgendwo fern von Europa. Hier zeigt sich ein Service-Gedanke, der das gesamte Schreiben durchwuchert. Franziskus entwirft ein umfängliches Programm, wie jenen, die er als „Migranten und Flüchtlinge“ bezeichnet, entgegengekommen werden solle. Der Westen solle sie „aufnehmen, schützen, fördern und integrieren“.

Franziskus‘ Auffassung nach

bedeutet aufnehmen vor allem, den Migranten und Flüchtlingen breitere Möglichkeiten für eine sichere und legale Einreise in die Zielländer anzubieten.

Die päpstliche Diagnose wirkt insofern erfreulich, als sie wenigstens indirekt anerkennt, daß derzeit gegen bestehendes Recht verstoßen werde. Der Therapie-Vorschlag freilich geht in die falsche Richtung: man möge das Geschehen schlankerhand legalisieren. Darauf folgt eine Frechheit:

Die kollektiven und willkürlichen Ausweisungen von Migranten und Flüchtlingen sind keine geeignete Lösung, vor allem, wenn diese in Länder geschehen, die die Achtung der Würde und der Grundrechte nicht gewährleisten können.

Wieso „willkürlich“? Wenn dieser oder jener sich illegal auf dem Boden der Bundesrepublik Deutschland oder eines anderen europäischen Staates Befindende ausgewiesen wird, ist das kein Willkürakt, sondern die Durchsetzung bestehenden Rechts. Als willkürlich wäre allenfalls die mangelnde Durchsetzung geltenden Rechts anzusehen, d.h. die Nicht-Ausweisung. Sollte es dem Heiligen Vater an Respekt vor den Verfassungen und dem gesatzten Recht der europäischen Staaten mangeln?

Der Grundsatz der zentralen Stellung der menschlichen Person […] verpflichtet uns dazu, die Sicherheit der Personen stets der Sicherheit des Landes voranzustellen.

Die aufnehmenden oder zur Aufnahme aufgeforderten Länder bestehen nicht aus Menschen? Die Autochthonen der aufnehmenden oder zur Aufnahme aufgeforderten Länder, ihre Söhne und Töchter haben keine Sicherheitsbedürfnisse? Der rhetorische Kniff dieser Zeilen besteht darin, eine Leerstelle zu suggerieren, wo keine ist. Es bedarf kaum der Erwähnung, wie bedenklich nahe diese Auffassung des Papstes einem invertierten Rassismus kommt. – „Hütet euch vor den falschen Propheten; sie kommen zu euch wie (harmlose) Schafe, in Wirklichkeit aber sind sie reißende Wölfe. An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen.“ (Mt 7, 15-16)

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Die Stuhl-Petrifizierung des Elends
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Die Stuhl-Petrifizierung des Elends

Papst Franziskus bemerkte vor wenigen Tagen in einem Interview:

As we speak there is a refugee crisis. How are you experiencing this Situation?

It is the tip of an iceberg. These poor people are fleeing war, hunger, but that is the tip of the iceberg. Because underneath that is the cause; and the cause is a bad and unjust socioeconomic system, in everything, in the world – speaking of the environmental problem –, in the socioeconomic society, in politics, the person always has to be in the centre. That is the dominant economic system nowadays, it has removed the person from the centre, placing the god money in its place, the idol of fashion. There are statistics, I don’t remember precisely, (I might have this wrong), but that 17% of the world’s population has 80% of the wealth.

And this exploitation of the third world countries, in the medium run, brings these consequences: All these people who now wish to come to Europe…

And the same thing happens in the big cities. Why do the slums appear in the big cities?

It’s the same criteria…

The same. These are people who came from the countryside, because it has been deforested, because of monoculture. They don’t have work, so they go to the big cities.

Leider ist an den Äußerungen Seiner Heiligkeit soviel falsch, daß man kaum weiß, wo man anfangen soll. Die Ökologismus sei vermerkt, aber hier beiseite gelassen. Schlimmer noch ist der Antikapitalismus: Denn das Einzige, was den Menschen in der Dritten Welt helfen kann, ist mehr Kapitalismus. Hören Sie noch einmal Dambisa Moyo zum Thema.

Bestürzend ist der Vorwurf, die Marktwirtschaft vergötze das Geld. Unter freiheitlichen Bedingungen ist Geld ein Tauschmittel, das man für Leistungen erhält, die unsere Mitmenschen schätzen; sonst würden sie unsere Ware oder Dienstleistung ja nicht kaufen. Wer auf dem freien Markt viel Geld verdient (sic!), bekommt es, weil viele Menschen für dasjenige, was er zu bieten hat, zu zahlen bereit sind. Er dient. Das ist eine moralische Form der eigenen Wohlfahrtssteigerung; sie ist es, die im eigentlichen Sinne solidarisch genannt zu werden verdient.

Desweiteren wäre – im Anschluß an Friedrich August von Hayek – anzuführen, daß die Frage nach dem Geld und dessen Vergötzung ganz hinten, hinten hinter dem Wald steckt. Recht eigentlich geht es um die dezentrale, selbstgesteuerte Verteilung von Informationen (u.a. über den Preismechanismus):

Wer die Menschen der Dritten Welt oder sonstigen weniger gesegneten Gegenden aus diesem System heraushält – zum Beispiel durch Zölle auf landwirtschaftliche Produkte, wie es die EU tut, oder, als Intellektueller (oder Papst), Talmy-Theorien verbreitet, die den nämlichen Effekt zeitigen -, handelt widermoralisch, weil er den Menschen dort die Möglichkeit raubt, sich emporzuarbeiten. Er petrifiziert das Elend.

Und: Egalitarismus führt zu nichts, allenfalls auf neue killing fields à la Stalin oder Pol Pot, und/oder mittenhinein in Schlamm, Schmutz und Verderben. Eine ungleiche Eigentumsverteilung hingegen sorgt dafür, daß High-Tech-Standorte heute entwickeln, was morgen schon in aller Welt Krankheiten besiegt, mehr Feldfrüchte wachsen läßt, Elend beseitigt und neue Hoffnung schafft. Wenn wir das alles zu einer grauen Masse vermantschen, wird es weniger Innovation geben und also mehr Elend.

Schlußendlich aber und zuvörderst, Eure Heiligkeit: Non loqueris contra proximum tuum falsum testimonium. / Non concupisces domum proximi tui, nec desiderabis uxorem ejus, non servum, non ancillam, non bovem, non asinum, nec omnia quæ illius sunt. (Quelle.)

Update (22.09.2015):

Schöner Artikel von George F. Will: „Pope Francis’s Fact-free Flamboyance“ (The Washington Post). Siehe auch Stephanie Slade: „If Pope Francis Wants to Help the Poor, He Should Embrace Capitalism“ (Reason.com).

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Bild: Guayaquil (Guayas) 06 de julio de 2015. El Papa Francisco arribó a la ciudad de Guayaquil en el cumplimiento de su visita apostólica, fue recibido por el Canciller Ricardo Patiño. Ofreció una misa en el parque de los Samanes. Foto: Luis Astudillo C. / Cancilleria (Wikimedia Commons; Ausschnitt).