Eugeniusz Korkosz: Schuhwerk und Moral

Eugeniusz Korkosz: Schuhwerk und Moral

Niejednego fatalny stan obuwia uchronił przed podjęciem zdecydowanych kroków.

(Manchen hat der fatale Zustand seines Schuhwerks vor dem Unternehmen entscheidender Schritte bewahrt.)

Eugeniusz Korkosz, in: Joachim Glensk (Hrsg.), Współczesna aforystyka polska. Antologia 1945–1984, Łódź 1986, S. 199.

(Beitragsbild: Gemälde von Vincent van Gogh (1886). Wikimedia Commons, gemeinfrei.)

Artur Nikolski: Leere Worte

Artur Nikolski: Leere Worte

Przygniatał ich ciężar pustych słów.
(Es erdrückte sie das Gewicht leerer Worte.)

Artur Nikolski, in: Joachim Glensk (Hrsg.), Współczesna aforystyka polska. Antologia 1945–1984, Łódź 1986, S. 273.

(Beitragsbild: Pixabay.)

Aleksander hr. Fredro: Socyalizm
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Aleksander hr. Fredro: Socyalizm

Socyalizm nierówności wszelkie prędko utrze,
Szlachtę powiesi jutro, nie szlachtę pojutrze.

(Der Sozialismus wird alle Ungleichheiten rasch bereinigen.
Den Adel hängt er morgen, die Nicht-Adligen übermorgen.)

Aleksander hr. (Graf) Fredro, Dzieła (Werke), Bd. 13, Warschau 1880, S. 220. Alte Rechtschreibung.

Das Beitragsbild zeigt nicht Aleksander Fredro, den Sie hier sehen, sondern seinen Sohn Jan Aleksander Fredro, der wie sein Vater Theaterdichter und Schriftsteller war, in der Tracht des polnischen Adels mit leichtem Säbel (karabela). Jan Aleksander war eines zweier Kinder, die aus der Ehe Aleksander Fredros mit der gleichfalls aus adligem Hause stammenden Zofia Jabłonowska hervorgingen. Fredro senior hatte die in sehr, sehr jungen Jahren an einen achtzehn Jahre älteren, steinreichen Edelmann verheiratete Zofia 1817 in Lemberg kennengelernt. Es handelte sich, wenn man der polnischen Wikipedia glauben darf, um Liebe auf den ersten Blick. Doch sollte es zehn Jahre dauern, bis die erste Ehe Zofias geschieden werden konnte. Am 8. November 1828 endlich feierten Graf Aleksander Fredro und seine Zofia Hochzeit.

(Bild: Portret Jana Aleksandra Fredry w stroju szlacheckim. Quelle: Archiwum Nauki PAN i PAU w Krakowie. Prawa autorskie: Utwór w domenie publicznej.)

Adam Mickiewicz: „Powrót Taty“ in deutscher Übersetzung

Adam Mickiewicz: „Powrót Taty“ in deutscher Übersetzung

Powrót Taty

Ballada

„Pójdźcie, o dziatki, pójdźcie wszystkie razem
Za miasto, pod słup na wzgórek,
Tam przed cudownym klęknijcie obrazem,
Pobożnie zmówcie paciórek.

Tato nie wraca; ranki i wieczory
We łzach go czekam i trwodze;
Rozlały rzeki, pełne zwierza bory
I pełno zbójców na drodze.“

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13 Zwerge, 4 Verse, 1 Hobbit

Interessant, was Übertragungen aus Gedichten machen. Nehmen wir die erste Strophe von J.R.R. Tolkiens Zwergenlied vom Gold hinter den Nebelbergen:

Far over the misty mountains cold,
To dungeons deep and caverns old
We must away ere brake of day
To seek the pale enchanted gold. 

Schön, nicht wahr? Wie aber so etwas übertragen? Es gibt verschiedene Möglichkeiten. Die deutsche Ausgabe vom Hobbit enthält eine Vers für Vers nachvollziehbare, wortgetreue Prosaübersetzung:

Weit über die kalten Nebelberge,
zu den tiefen Verliesen und uralten Höhlen
müssen wir fort, ehe der Tag anbricht,
das bleiche verzauberte Gold suchen.

Solche Genauigkeit hat natürlich (wie alles im Leben) ihren Preis: die Schönheit ist zerstoben. Man müßte das Original lesen oder sich vorlesen lassen, um seinen Reiz zu erahnen.

Zwei polnische Hobbit-Ausgaben gehen einen anderen Weg. Die ältere der beiden Editionen bietet folgende Nachdichtung an:

Ponad gór omglony szczyt
Lećmy, zanim wstanie świt,
By jaskiniom, lochom, grotom
Czarodziejskie wydrzeć złoto.

(Wörtlich übersetzt: Über der Berge umnebelten Gipfel
Laßt uns aufbrechen, bevor die Morgendämmerung anbricht,
Um den Höhlen, Verliesen, Grotten

Das zaubertätige Gold zu entreißen.)

Sie sehen: hier hat sich einiges verändert. Immerhin haben wir – im Unterschied zur deutschen Ausgabe – ein Gedicht vor uns, aber doch eines, dessen Inhalt und Form deutlich vom englischen Original abweichen. Schon die Reimordnung ist verändert worden. Tolkiens Gedicht folgt dieser Reimordnung:

a
a
bb
a

Die polnische Nachdichtung bietet zwei Paarreime (wenn man die Assonanz „grotom“ – „złoto“ akzeptiert). Dazu wirkt sie weniger feierlich, denn der Imperativ „lećmy“ hat etwas Umgangssprachliches an sich; hier ist keine Rede verpflichtender Aufgabe („we must…“) mehr. Das gesuchte Gold ist nun nicht mehr verzaubert (enchanted), sondern zaubertätig (czarodziejski). Blaß ist es weder hier, noch in der sogleich diskutierten Übersetzung; das geht einfach verloren.

Die jüngere polnische Hobbit-Ausgabe überträgt Tolkiens Zwergenlied in folgender Weise:

Wśród szczytów gór, w głębokich grotach
w otchłaniach hen, gdzie skalne wrota,
gdzie mrok i mgła, u kresu dnia,
my swego wciąż szukamy złota.

(Wörtlich übersetzt: Zwischen den Gipfeln der Berge, in tiefen Grotten,
In sehr weit entfernten Abgründen, wo felserne Tore sind,
Wo Dunkelheit und Nebel herrschen, am Ende des Tages,
suchen wir immerzu unser Gold.)

Hier hat sich noch mehr verändert. Doch das ist kein Zeichen von Willkür. Der Übersetzerin lag vor allem daran, den Rhythmus und die Reimordnung nachzubilden. Dies ist ihr, wenn man eine Assonanz (grotach) zugesteht, vorzüglich gelungen. Das „ch“ in „grotach“ ist nicht allzu stark zu sprechen.

Bei Tolkien haben wir die Reime:

cold
old
away – day
gold 

Die jüngere polnische Edition bietet:

grotach
wrota
mgła – dnia
złota

Auch der Rhythmus scheint sich mir näher am Original zu bewegen; natürlich im Vers mit den Binnenreimen, außerdem im zweiten Vers. Ist dort nach „dungeons deep“ eine kleine Pause anzunehmen, gilt dies ebenfalls nach „hen“ („sehr weit entfernt“; die Bestimmung ist nachgestellt, was aus meiner Übersetzung der Nachdichtung nicht hervorgeht).

Um welchen Preis freilich dies alles erreicht wird! Das Gold ist hier weder verzaubert, noch zaubertätig. Der Nebel (mgła) erscheint weit, weit von den misty mountains getrennt, als habe er rein gar nichts mit ihnen zu tun. Die Bestimmung „ere break of day“ wird um rund zwölf Stunden verschoben. Wie mir einige Muttersprachler versichert haben, sei „u kresu dnia“, obschon wörtlich als „an der Grenze des Tages“ (und somit neutral im Hinblick auf Morgan und Abend) zu übersetzen, als abendlicher Zeitpunkt zu verstehen. Ob „u kresu dnia“ hier überhaupt noch auf die Stunde des Aufbruchs bezogen, als solche verstanden werden kann, wirkt fraglich.

Welche der drei Übertragungen ist nun die beste? Die wortwörtliche Prosa-Übersetzung der deutschen Ausgabe, die ältere oder die jüngere Nachdichtung in polnischer Sprache? Diese Entscheidung liegt bei Ihnen. Mir ging es lediglich darum zu zeigen, wie der Übersetzer mit der Materie (und sich selbst) verhandeln muß, wo ein Gedicht übertragen werden soll. Hier gibt es keinen Königsweg, sondern nur trade-offs. Jede Entscheidung ein Quid pro quo. Und, von Glücksfällen abgesehen, jeder Gewinn auch ein Verlust.

*

Die deutsche Übersetzung stammt von Walter Scherf (J.R.R. Tolkien, Der kleine Hobbit, München 2002). Die ältere polnische Nachdichtung erstellte Włodzimierz Lewik (J.R.R. Tolkien, Hobbit czyli tam i z powrotem, Warschau 1997), die jüngere polnische Übertragung Paulina Braiter (J.R.R. Tolkien, Hobbit albo tam i z powrotem, Warschau 2009).

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Crispinus & Crispianus

Gestern, am 25. Oktober, war der Gedenktag für die Heiligen Crispinus und Crispianus, bekannt im Englischen als St Crispin’s Day. Da kommt natürlich die St-Crispin’s-Day-Rede aus Shakespeares Henry V. in den Sinn. August Wilhelm von Schlegel hat bei ihrer Übertragung keinen schlechten Job gemacht:

Der heutge Tag heißt Crispianus‘ Fest:
Der, so ihn überlebt und heim gelangt,
Wird auf den Sprung stehn, nennt man diesen Tag,
Und sich beim Namen Crispianus rühren.
Wer heut am Leben bleibt und kommt zu Jahren,
Der gibt ein Fest am heilgen Abend jährlich
Und sagt: «Auf morgen ist Sankt Krispian!»
Streift dann den Ärmel auf, zeigt seine Narben
Und sagt: «Am Krispinstag empfing ich die.»
Die Alten sind vergeßlich; doch wenn alles
Vergessen ist, wird er sich noch erinnern
Mit manchem Zusatz, was er an dem Tag
Für Stücke tat: dann werden unsre Namen,
Geläufig seinem Mund wie Alltagsworte:
Heinrich der König, Bedford, Exeter,
Warwick und Talbot, Salisbury und Gloster,
Bei ihren vollen Schalen frisch bedacht!
Der wackre Mann lehrt seinem Sohn die Märe,
Und nie von heute bis zum Schluß der Welt
Wird Krispin-Krispian vorübergehn,
Daß man nicht uns dabei erwähnen sollte,
Uns wen’ge, uns beglücktes Häuflein Brüder:
Denn welcher heut sein Blut mit mir vergießt,
Der wird mein Bruder; sei er noch so niedrig,
Der heutge Tag wird adeln seinen Stand.
Und Edelleut in England, jetzt im Bett,
Verfluchen einst, daß sie nicht hier gewesen,
Und werden kleinlaut, wenn nur jemand spricht,
Der mit uns focht am Sankt Crispinustag.

Interessant zwei Lösungen des Übersetzers. Im berühmten, vielfach zitierten und adaptierten Vers „We few, we happy few, we band of brothers“ versetzt Schlegel das „happy“, um das Versmaß zu halten; es entsteht etwas wie „We few, we happy band of brothers“ („Uns wen’ge, uns beglücktes Häuflein Brüder“). Im vorletzten Vers dann setzt Schlegel „Und werden kleinlaut…“, was richtig ist und trifft und doch an Saft und Kraft des Vorbilds nicht heranreicht, wo es heißt: „And hold their manhoods cheap…“

Knappheit als Übersetzungsproblem

Eine besondere Herausforderung für den Übersetzer sind knappe, gleichsam eingedampfte Passagen des Originals. Wer aus dem Slawischen ins Deutsche übersetzt, hat damit doppelt zu kämpfen, weil das Slawische (zumeist) knapper als das Deutsche wirkt: schon der mangelnden Artikel wegen.

Schauen wir auf dieses Gedicht des in Krakau wirkenden Priesters Wojciech Węgrzyniak aus dem Jahr 2016:

Spowiedź niewolnika

musiałem ściągać na sprawdzianach
musiałem mieszkać przed ślubem
musiałem podkradać z pracy
musiałem współpracować
musiałem oszukiwać
musiałem siedzieć cicho
musiałem komentować
 
słyszą to męczennicy
nie osądzają święci
tylko Bóg zatroskany pyta
a byłeś chociaż raz wolny?

Das ist, mehr oder weniger:

Beichte eines Sklaven

ich mußte bei den Klausuren spicken
ich mußte vor der Trauung mit meiner Freundin zusammenwohnen
ich mußte auf der Arbeit Dinge mitgehen lassen
ich mußte mit der Geheimpolizei zusammenarbeiten
ich mußte betrügen
ich mußte den Mund halten
ich mußte mir das Maul zerreißen

das hören die Märtyrer
die Heiligen verurteilen es nicht
nur Gott fragt voller Sorge
warst du denn nicht ein einziges Mal frei?

Gut verständlich, nicht wahr? Aber doch zu lang im Vergleich zum Original! Wenn wir die „ich mußte“-Verse ohne erläuternde Einfügungen übersetzen, erhalten wir:

ich mußte bei den Klausuren spicken
ich mußte vor der Trauung wohnen
ich mußte auf der Arbeit Dinge mitgehen lassen
ich mußte zusammenarbeiten
[…]

Der zweite und der vierte Vers sind nicht mehr verständlich. Die Ergänzungen sind also notwendig. Aber sie zerstören das Lakonische des Originals.

Außerdem: Wo mit den Ergänzungen aufhören? Sollte man nicht auch den Titel ergänzen: „Beichte eines Sklavens seiner Sünden“. Darauf will es ja hinaus. Aber das wäre eindeutig zu viel des Schlechten; eine Art Paternalismus dem Leser gegenüber, unstatthaft.

Ein weiteres Problem stellen festgefügte Wendungen dar:

ich mußte auf der Arbeit Dinge mitgehen lassen
[…]
ich mußte den Mund halten
ich mußte mir das Maul zerreißen

Der vorletzte dieser Verse lautet, wortwörtlich übersetzt: „ich mußte still dasitzen“ oder „ich mußte schweigend sitzen“. Das freilich gibt den Sinn des Verses kaum wieder, den „siedzieć cicho“ beschreibt nicht zuletzt etwas wie das folgende Szenario: XY sitzt in der-und-der Versammlung, würde gern etwas zu der-und-der Frage bemerken, fürchtet aber, dafür auf den Deckel zu bekommen, und zieht es deshalb vor, den Mund zu halten.

Darf man derart in den Idiom-Vorrat der Zielsprache greifen? Wo bleibt das Original? Oder spiegelt gerade dies das Original?

Und sollte man dann auch noch, nach einem solchen Eingriff, das wiederum lakonische, aber zusammen mit dem „musiałem“ („ich mußte“) doch auch etwas beißende „komentować“ („kommentieren“) übersetzen – oder ersetzen – durch die feststehende Wendung „sich das Maul zerreißen“?

Zbigniew Herbert: Krasnoludki (deutsch)

Zbigniew Herbert: Krasnoludki (deutsch)

Kra­sno­lud­ki ro­sną w le­sie. Mają spe­cy­ficz­ny za­pach i 
bia­łe bro­dy. Wy­stę­pu­ją po­je­dyn­czo. Gdy­by się dało ze­brać 
ich garść, usu­szyć i po­wie­sić nad drzwia­mi – może mie­li­by­śmy spo­kój.

Das ist: Zwerge kommen im Wald vor. Sie haben einen besonderen Geruch und weiße Bärte. Sie sind Einzelgänger. Gelänge es, eine Handvoll von ihnen zu fangen, sie zu trocknen und über der Eingangstür aufzuhängen, hätten wir womöglich Ruhe.