Bentley-Kettenfahrzeug, Eigenbau
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Bentley-Kettenfahrzeug, Eigenbau

Amüsanter Film über ein paar junge Leute in Rußland, die einen Bentley zu einem Kettenfahrzeug – einer Art Sportpanzer (ohne Bewaffnung) – umgebaut haben. Da mögen zwei Fragen auftauchen: (1) „Wozu?“ und (2) „Warum mit einem Bentley?“ Die Antworten dürften lauten: (1) „Warum nicht?!“ und (2) „Wenn schon, denn schon!“ – In jedem Falle: Alle Achtung!

In russischer Sprache mit englischen Untertiteln. Bitte klicken Sie hier.

Sonntagslektüre: Anthony Esolen, The Freedom of Heaven & the Freedom of Hell
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Sonntagslektüre: Anthony Esolen, The Freedom of Heaven & the Freedom of Hell

In Dante Alighieris Göttlicher Komödie sitzt der Teufel dort unten, im tiefsten Kreis der Hölle, im Eis eines Flusses fest, den er mit dem Schlag seiner Flügel gefrieren läßt. Das Eis hält ihn (und die Seelen von allerlei Verrätern) auf alle Ewigkeit fest, weil er nicht von dem Wunsch lassen will, sich auf eigene Faust, nach eigenem Willen und in eigener Manier aus seinem Elend zu befreien.

Anthony Esolen bemerkt in einem gewaltigen Artikel, der vor zehn Jahren in (oder auf) First Things erschienen ist, zu diesem Bild:

Readers of Dante’s Inferno who have traveled with him all the way to the bottom know that the essence of one’s sin is made manifest in the punishment—that the punishment is the sin repeated endlessly and inexorably. And appropriately so. Thomas Aquinas, in justifying the eternity of hell, notes that mortal sin is an infinite and self-defining act of enmity against the peace of the City of God. Such sinners long for immortality, he says (quoting Gregory the Great), so that they might sin forever—for, even more than they love life, they love the sin to which they have given their lives. 

What exactly, then, is the sin made manifest here in hell’s deepest pit? The flapping of wings, the ice, the act of treachery, and the temptation of Satan that penetrates time all derive from falling to the temptation, “Ye shall be as gods.” These four motifs have much to teach us about freedom and autonomy, rightly and wrongly understood. 

The Psalms lend a hint: All things, says the psalmist, declare that “he made us; we did not make ourselves.” Even the atheist must agree that we did not make ourselves. The statement expresses contingency and dependence, and these are plainly discernible by reason. I did not come into the world self-made. Indeed, I came into a world already present for me to enter: an intelligible world, not a congeries of arbitrary and unrelated forces. Had there been no such world, I would not have existed. 

To claim, then, that we did make ourselves would be to deny the real contingency of our beings—which would also be to deny the web of relations into which we have entered by our being and without which we must cease to be. Deep at the heart of this denial is the prideful sin of ingratitude. We see that we are provided with what we could not have provided for ourselves: not only the material conditions that support our existence—our food and drink, the care of our parents—but the fact of our existence itself. Yet we respond with a lie. We repeat what Satan implicitly affirms at the bottom of hell, the loneliest words ever uttered: “I am my own, I am my own! My mind is my own, to fashion what truth I shall please. My body is my own, to dispose of as I please. My will is my own. I rise—by my power. I exist— by my power .” 

Das ist: Leser von Dantes Inferno, die ihn auf seiner Reise hinunter zum tiefsten Kreis der Hölle begleitet haben, wissen, daß das Wesen einer Sünde in der Buße wiederkehrt – daß also die Bestrafung in der immer und ewig wiederholten Sünde bestehe, wie es nicht anders sein kann. Thomas von Aquin schrieb, da er die Ewigkeit der Höllenstrafe rechtfertigte, daß die Todsünde ein Akt unbeschränkten und definierenden Charakters sei, ein Akt der Feindseligkeit gegen den Frieden in der Stadt Gottes. Derartige Sünder verlangt es nach Unsterblichkeit, sagt er (sich auf Papst Gregor I beziehend), damit sie auf ewig sündigen können, denn mehr als das Leben selbst lieben sie die Sünde, der sie ihr Leben verschrieben haben.

Worin besteht somit genau die Sünde hier im tiefsten Kreis der Hölle? Das Schlagen der Flügel, das Eis, der Verrat und die ewige Versuchung Satans, sie sind die Folgen dessen, daß der falschen Verheißung „Ihr werdet sein wie die Götter“ stattgegeben wurde. Aus diesen vier Motiven läßt sich viel über Freiheit und Autonomie lernen, sowie über deren richtige und falsche Auffassung.

Der Psalter gibt uns einen Hinweis, worum es geht. Alle Dinge lehren uns, so der Dichter der Psalmen, daß „Er uns geschaffen hat; wir haben uns nicht selbst erschaffen“. Selbst der Atheist muß zugeben, daß wir uns nicht selbst erschaffen haben. Eine solche Aussage gibt Beschränktheit und Abhängigkeit zu, Sachverhalte, die bei vernünftiger Betrachtung auf der Hand liegen. Schließlich sind wir in eine Welt geboren worden, die schon da war; eine Welt, die sich verstehen läßt, keine Ansammlung beliebiger und beziehungsloser Kräfte. Würde es keine solche regelhafte Welt geben, würden wir nicht existieren (können).

Folglich würde jede Behauptung, daß wir uns geschaffen und zu dem gemacht haben, was wir sind, das tatsächliche Abhängigkeitsverhältnis unseres Daseins verleugnen. Sie würde auch jenes Geflecht von Beziehungen leugnen, in das wir mit unserem Dasein eingetreten sind und ohne dessen Bestehen wir aufhören würden zu existieren. Eine solche Leugnung entstammt der stolzbefeuerten Sünde der Undankbarkeit. Wir verstehen, daß wir mit Gütern und Gaben beschenkt worden sind, die wir niemals hätten selbst uns beschaffen können; dies meint nicht nur die äußerlichen Bedingungen unseres Daseins – Essen und Trinken, die Zuwendung unserer Eltern -, sondern auch die schlichte Tatsache unserer Existenz. Dennoch reagieren wir auf diesen Sachverhalt mit einer Lüge. Wir wiederholen, was Satan durch sein Tun im tiefsten Kreis der Hölle bekräftigt, nämlich die einsamsten Worte, die sich überhaupt äußern lassen: „Ich bin mein Eigentum, ich bin mein Eigentum! Es ist mein Wille und Intellekt, und ich kann jeder Wahrheit anhängen, die ich will. Mein Körper gehört mir, und ich kann damit anstellen, was mir gefällt. Mein Wille ist mein Wille. Ich steige auf – durch eigene Kraft. Ich bin da – aus eigener Kraft.

Bitte lesen Sie den gesamten Text.

Zum kulturellen Hintergrund von Herberts „Krasnoludki“

Zum kulturellen Hintergrund von Herberts „Krasnoludki“

Wie der überaus interessante Blog „Lamus Dworski“ (in englischer Sprache) unterrichtet, war es in Polen üblich, Bauernhäuser mit Kräutern und anderen Pflanzen gegen Dämonen und – natürlich – den bösen Blick neidischer Nachbarn oder Passanten zu schützen. Und da wurden dann eben auch, in der Gegend um Warschau wenigstens, ganz wie die Krasnoludki (Zwerge) Zbigniew Herberts, Brennesseln über die Eingangstür gehängt, um Ruhe vor dies- und jenseitigen Bösewichtern zu haben. – Ein Überbleibsel aus der Zeit vor der Christianisierung Polens.

Ah, und falls Sie fragen: die Bezeichnung „Lamus dworski“ meint eine Art Wirtschaftsgebäude auf ländlichen Anwesen des Adels, in dem wertvolle Dokumente und Güter verwahrt wurden.

Franciszka Halamajowa, Gerechte unter den Völkern

Franciszka Halamajowa, Gerechte unter den Völkern

Franciszka Halamajowa lebte in Sokal, einer Stadt am Bug, die in der Zwischenkriegszeit zu Polen gehörte. Rund sechstausend Juden bewohnten Sokal, dreißig von ihnen überlebten die deutsche Besatzung. Dreizehn dieser Dreißig verdanken ihr Leben Franciszka Halamajowa und ihrer Tochter Helena, die sie vom Mai 1943 bis zum Juli 1944 auf ihrem kleinbäuerlichen Anwesen in der Nähe Sokals verbargen und mit allem Nötigen versorgten – auf dem engen Dachboden über dem Schweinestall und in einem Kellerraum unter ihrem Wohnhaus.

Machen Sie sich klar, wie mutig und auch schwierig das ist: all diese Menschen haben ihre Bedürfnisse; wie bekommen Sie das zusätzliche Essen an den neugierigen Blicken der Nachbarn vorbei? Darüber und von einem Besuch der Geretteten in Sokal, auf dem wenig veränderten Grundstück, das ehemals Franciszka Helamajowa gehörte, berichtet der berührende Dokumentarfilm No. 4 Street of Our Lady. Hier auf Vimeo verfügbar.

Franciszka und Helena Halamajowa haben den Krieg überlebt. Sie sind im Zuge der Westverschiebung Polens als ethnische Polen aus der Gegend um Sokal vertrieben worden.

Lehrreich auch dieser Artikel von Danusha Goska zum Thema – dessen zweite Hälfte jedenfalls -, der die Angelegenheit aus polnischer Perspektive darstellt.

Wie schon bemerkt: Laß Dir nichts einreden, Du könnest nichts tun. Was nicht bedeutet, daß es leicht oder ungefährlich sei.

(Daß die Zahlenangaben zwischen den drei genannten Quellen variieren, tut der Relevanz der Sache keinen Abbruch. Alle eingangs genannten Zahlen folgen den Angaben von Yad Vashem. Wenn Sie den Namen von Frau Halamajowa in eine Suchmaschine eingaben, verwenden Sie bitte auch diese Form des Vornamens: Francisca. – Bildnis Franciszka Halamajowas von der Homepage des Films; Ausschnitt.)

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Da in den Wäldern (silvae)…

…Peter Rühmkorfs „Über das Volksvermögen“ erwähnt wird, erinnere ich mich plötzlich, wie an der Georgia Augusta eine Lehrveranstaltung für Erstsemester, deren Teilnehmer verschreckt und stocksteif darauf bedacht waren, sich nur ja keine Blöße zu geben, durch eine junge Frau ländlicher Anmutung, die noch vor wenigen Wochen eine Schulbank in, sagen wir, Winsen an der Luhe gedrückt haben mochte, gerettet – ja: gerettet – wurde; die Gute nämlich nahm, während sie ein vernichtend langweiliges Referat über Rühmkorf zu ertragen verurteilt war, den herumgehenden Band „Über das Volksvermögen“ in die Hand, öffnete ihn an beliebiger Stelle und begann, in den dort gesammelten und durchaus saftig-defitigen Reimereien der sogenannt einfachen Leute zu lesen. (Die ‚einfachen‘ Leute sind nur selten einfach, aber das nur am Rande.) Wie dem auch sei; die Zoten taten das Ihre, und die sympathische Studentin begann hemmungs-, aber auch lautlos – sie wollte ja nicht stören – zu lachen, schlug eine Seite um, prustete annähernd stumm – eine Meisterleistung der Körperbeherrschung – los, um auch dasjenige, was ihrer dort harrte, angemessen zu rezipieren. Ihr Antlitz bekam die Farbe eines reifen Pfirsichs; ihre hellen Augen füllten Lachtränen, ihr Körper vibrierte unter dem Versuch, sich zu beherrschen. Schließlich übertrug sich ihre Freude auf uns, wiewohl wir einige Zeit kopfschüttelnd für naiv oder sonstwie unangemessen gehalten hatten (vielleicht auch nur unsicher gewesen waren), was sie – oder was sich mit ihr – tat; und selbst der melancholische Dozent vergaß, woran er gelitten hatte. Er strahlte sie und uns an.

Das also war sie, die Wirkung der Literatur.

Zbigniew Herbert: Krasnoludki (deutsch)

Zbigniew Herbert: Krasnoludki (deutsch)

Kra­sno­lud­ki ro­sną w le­sie. Mają spe­cy­ficz­ny za­pach i 
bia­łe bro­dy. Wy­stę­pu­ją po­je­dyn­czo. Gdy­by się dało ze­brać 
ich garść, usu­szyć i po­wie­sić nad drzwia­mi – może mie­li­by­śmy spo­kój.

Das ist: Zwerge kommen im Wald vor. Sie haben einen besonderen Geruch und weiße Bärte. Sie sind Einzelgänger. Gelänge es, eine Handvoll von ihnen zu fangen, sie zu trocknen und über der Eingangstür aufzuhängen, hätten wir womöglich Ruhe.

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Opferkult und -nutzen

Wertvoll auch dann, wenn man – wie Theodore Dalymple – Einwände gegen Ayn Rands Philosophie führen würde. Zur gerne übersehenen und deshalb besonders wichtigen Rolle freiwilliger Zuwendung von Gönnern, wo der Aufstieg von „ganz unten“ nach „ganz oben“ in Rede steht, vgl. Luigi Zingales, Who killed Horatio Alger?.

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Götz Alys neuere Holocaust-Forschung und ihre Rezeption. Eine kritische Bestandsaufnahme (Auszug)

Götz Aly ist einer der bekanntesten deutschen Historiker, die über die Entrechtung, Ausplünderung und Ermordung der europäischen Juden forschen. Der vorliegende Aufsatz beschäftigt sich mit einigen jüngeren Veröffentlichungen Alys, angefangen mit der 2005 publizierten Studie Hitlers Volksstaat, die aufzeigt, welche Vorteile der gewöhnliche Volksgenosse von ‚Vater Staat‘ unter den Nationalsozialisten erwarten durfte. Sodann werden die Bücher Warum die Deutschen? Warum die Juden? (2011) und Europa gegen die Juden. 1880-1933 (2017) besprochen. Beide Werke fragen nach den Vorbedingungen des Holocaust, soweit Moral und Ethik, sozialpolitische und solche Maßnahmen in Rede stehen, die der Schaffung möglichst homogener Nationalstaaten verpflichtet sind (vgl. Aly, Europa, 2017, S. 375-376). Während das 2011 erschienene Buch sich auf den deutschen Sprachraum konzentriert, erweitert die 2017 publizierte Studie den Blick auf verschiedene Staaten Mittel- und Ostmitteleuropas.

Die drei genannten Buchveröffentlichungen bilden ein Forschungsprogramm im Sinne Imre Lakatos’, dessen „harter Kern“ (Lakatos, Methodologie, 1982, S. 47-49) sich wie folgt formulieren ließe: Aly fragt nach den greif- oder zählbaren Vorteilen, in deren Genuß eine Mehrheitsbevölkerung kommt, wenn der Staat eine Minderheit (oder mehrere Minderheiten) drangsaliert.

Aly folgend, erklären diese Vorteile die erstaunliche Loyalität, welche die meisten Deutschen der nationalsozialistischen Führung entgegenbrachten, sie die massenhaften Verbrechen, von denen sie wußten oder ahnten, tolerieren ließen, sofern sie nicht selbst an den Greueltaten teilhatten. Alys Ansatz erlaubt ihm zudem, gewisse Sachzwänge der Hitlerschen „Gefälligkeitsdiktatur“, „jederzeit mehrheitsfähigen Zustimmungsdiktatur“ (Aly, Volksstaat, 2006, S. 36, 333) mit ihren vielfältigen Steuervergünstigungen, finanziellen und Sachleistungen für Geringverdiener, die keiner der als ‚minderwertig‘ klassifizierten Bevölkerungsgruppen angehören, auszumachen und als historischen Erklärungsansatz zu formulieren (ebd., S. 37, 51, 68, 70-71, 141-158, 325, 392). Dazu zählt die Unausweichlichkeit immer weiterer Eroberungen (ebd., S. 355), um auch die dortige Bevölkerung ihrer Lebensmittel und -grundlagen berauben zu können, der Raubmord an den europäischen Juden und das geplante Verhungern-Lassen von Millionen Menschen im Osten des Kontinents.

Alys Bücher pflegen teils heftige Reaktionen hervorzurufen. Unter diesen Reaktionen sollen im Folgenden besonders diejenigen interessieren, welche sich außerhalb der eigentlichen Fachdiskussion bewegen: jene also, die in den Feuilletons der großen Zeitungen und Zeitschriften und in sonstigen Stellungnahmen im weiteren Sinne politischer Natur zu finden sind. Denn Alys Forschungsprogramm hat einen Nebeneffekt. Es läßt nicht nur auf die verbrecherische „Gefälligkeitsdiktatur“ der NSDAP, sondern auf sämtliche Gemeinwesen anwenden, über die konstatiert werden darf, daß der fürsorgliche Staat seine Sozial- und sonstigen Programme auf Kosten einer Minderheit oder Fremder finanziere, während die Mehrheit seiner Bürger nicht danach frage – oder lieber nicht danach fragen wolle –, wo der Segen herkommt. Der „harte Kern“ von Alys Forschungsprogramm, der eine gewinnbringende Analyse und Kritik des nationalen Sozialismus im Deutschen Reich zwischen 1933 und 1945 ermöglicht, ermöglicht ebenfalls die Analyse und Kritik anderer Ausprägungen des Sozialismus oder Nationalismus. Dieser Umstand erklärt die Heftigkeit einiger der unten diskutierten Reaktionen auf Alys Werk, wie der Historiker im Nachwort zur Taschenbuchausgabe von Hitlers Volksstaat hinsichtlich des Sozialismus selbst vermutet (Aly, Volksstaat, 2006, 371-372; zum Verhältnis beider Ideologien Aly, Europa, 2017, S. 350).

Mehr in: Studia Niemcoznawcze / Studien zur Deutschkunde (Universität Warschau), Bd. LXII (2018), S. 89-101. Volltext als PDF verfügbar („SN62“).