|

David P. Goldman (Spengler) über Henryk M. Broder, Alexander Gauland und die Zukunft der Deutschen

Nein, die zwölf Jahre des Dritten Reiches seien eben kein Vogelschiß, wie Alexander Gauland meine, schreibt David P. Goldman in einem Artikel, der Henryk M. Broders Besuch bei der AfD-Bundestagsfraktion kommentiert, sondern ein Verbrechen, das so gewaltig auf der deutschen Seele laste, daß es sie zu erdrücken drohe („You speak of bird poop because you know that the matter of the Holocaust weighs so heavily on German sensibilities that Germany suffers from a self-hatred that might be fatal.“). Goldmans Rat:

Rabbi Joseph Soloveitchik, the intellectual leader of Modern Orthodox Judaism during the 20th century, taught that the past is determined by the future. He wrote: „It is impossible to regret a past that is already dead, lost to the abyss of oblivion….There can be a certain sequence of events that starts out with sin and iniquity but ends up with mitzvot and good deeds, and vice versa. The future transforms the thrust of the past.“ What if Germany were to become Israel’s best ally in Europe, rather than a temporizing, opportunistic, materialistic, cowardly, hypocritical entity, that cozies up to the mad mullahs of Iran at the same time that it provides second-strike weapons to Israel in the form of submarines? What if Germany were to take inspiration from Israel’s love of children, its sense of risk and adventure, its rootedness in the past and passion for the future? The way out of the trap of the past is to create a future that repurposes the past.

(Rabbi Joseph Soloveitchik, die bestimmende intellektuelle Gestalt des Modernen Orthodoxen Judentums im zwanzigsten Jahrhundert, lehrte, daß die Vergangenheit von der Zukunft bestimmt werde. Er schrieb: „Es ist sinnlos, eine Vergangenheit zu bedauern, die längst tot ist, gestürzt in den Abgrund des Nichts. … Es ist möglich, daß eine gewisse Folge von Ereignissen, die mit gewaltiger Ungerechtigkeit und Sünde begonnen hat, mit mitzvot und guten Taten endet – wie auch umgekehrt.“ Was wäre, wenn Deutschland der beste Verbündete Israels in Europa würde, statt auf Zeit zu spielen und sein Mäntelchen nach dem Winde zu hängen, opportunistisch, auf materielle Vorteile bedacht, feige und verlogen; statt ein Land zu sein, das sich bei den verrückten Mullahs im Iran einschmeichelt und zu gleicher Zeit Israel Waffensysteme für den Vergeltungsschlag in Form von U-Booten liefert? Was wäre, wenn sich Deutschland von Israels Kinderliebe inspirieren ließe, von seinem Sinn für Wagnis und Abenteuer, seinem Verwurzelt-Sein in der Vergangenheit und seiner Leidenschaft für die Zukunft? Der Weg aus der Falle der Vergangenheit besteht darin, eine Zukunft zu schaffen, die das Vergangene mit einem neuen Zweck versieht.)

Berlin als Unwille und Verstellung

Berlin als Unwille und Verstellung

Kürzlich mit einem Bekannten über Berlin als Stadt geplaudert, der wir vor Jahren entflohen sind. Sofort reproduzierten unsere Hirnschaltungen den unverwechselbaren Geruch der Berliner U-Bahn-Schächte und -Wagen, ein olfaktorisches Souvenir, auf das zivilisierte Menschen durchaus verzichten können. Die S-Bahn roch (damals) nicht viel besser, aber anders, zuweilen kurios ins Ranzige spielend.

Wie dem auch sei; Berlin war etwas, durch das man durch mußte – ganz so, wie es der Schweizer Benedict Neff in der NZZ beschreibt:

Generell bin ich in Berlin robuster geworden. Ich vermute, dass ich in den vergangenen drei Jahren in öffentlichen Verkehrsmitteln mehr Rippenstösse und Tritte auf die Füsse bekommen habe als in meinem gesamten Leben zuvor. An ungehobeltes Verhalten und eine gewisse Rauheit im öffentlichen Umgang muss man sich gewöhnen. Wenn ich in meinen Anfängen hier Reklamationen geäussert habe, wurden diese oft nicht verstanden oder sogar als etwas umständlich vorgetragene Komplimente interpretiert. In Berlin muss man sagen, was man will; das funktioniert mit «hätte gern», «ein bisschen» und «vielleicht» eher schlecht. Diese Phänomene haben vor allem mit Berlin zu tun, während sich die Sitten in anderen Landesteilen verfeinert haben und auch eine andere Geschäftigkeit herrscht. 

Dieses Ruppige, das natürlich auch mein Bekannter und ich beobachtet (oder besser: durchwatet) haben, entspringt, fürchte ich im Rückblick, weniger einer herzhaft-tappigen Menschenliebe, die sich um Konventionen wenig schert, als einer Disposition, die sich als geistige Ungewaschenheit bezeichnen ließe: Es war zu vielen Leuten zu viel egal, die gerade deshalb zu sehr von sich eingenommen waren.

Mehr lesen „Berlin als Unwille und Verstellung“
|

Haß auf das Eigene, nicht Menschenliebe

Eine bemerkenswerte Passage in Markus Vahlefelds Mal eben kurz die Welt retten (Köln 2017, S. 50):

Ob es nun Ho Chi Minh, Fidel Castro oder Che Guevara war, die Ikonen der Linken waren immer ausgemachte Mörder, denen man mit Hochachtung und Respekt begegnete, während im gleichen Atemzug die Mörder aus dem eigenen Kulturkreis in Grund und Boden verdammt wurden. Nicht der Ekel vor dem Morden, sondern der Ekel vor dem Eigenen und die Anbetung des Fremden hat sich bis heute erhalten und wird von den Linken weiterhin perpetuiert.

Da ist was dran. Ernesto „Che“ Guevara ist chic, und das zeugt – mindestens – von einem „Messen mit zweierlei Maß“ (Vahlefeld, ebd.). Daß der „Ekel vor dem Eigenen“, das Gegenteil jener Haltung, die Roger Scruton empfiehlt und in seinem Buch England: An Elegy zelebriert, dabei eine Schlüsselrolle spiele, darf als ausgemacht gelten.