In eigener Sache: „Sonderlichs Sondierungen“ jetzt erschienen

In eigener Sache: „Sonderlichs Sondierungen“ jetzt erschienen

Es ist mir ein ganz besonderes Vergnügen, ankündigen zu dürfen, daß Sonderlichs Sondierungen vor wenigen Tagen erschienen sind. Das Buch ist versandkostenfrei beim Verlag und bei Amazon zu beziehen, natürlich auch im gewöhnlichen Buchhandel erhältlich.

Was ist drin? Die Aufzeichnungen eines Verschollenen, der lange in Berlin ansässig war: Prosastücke zwischen Kurzgeschichte und Essay, außerdem Sonette und andere Gedichte – herausgegeben von meiner Wenigkeit.

Der Inhalt: Vorrede des Herausgebers 9 – Göttingen als Lebensform 15 – In der Kitschkammer 25 – Sonderlichs Verse 33 – Der Narr von der Möckernbrücke 101 – Das ewige England 107 – Aus dem Vorort 117 – An der Grenze 129 – Verzeichnis der Gedichtanfänge und -überschriften 137.

Aus der Vorrede des Herausgebers:

Der Zeichenstand und sonstige Eigentümlichkeiten des Originals wurden erhalten. Dies gilt auch für sämtliche Passagen weltanschaulich haarsträubenden Inhalts. Es mag nicht schaden, wenn ich mich an diesem Ort für alle Geschmack- und Gedankenlosigkeiten Sonderlichs entschuldige, die nachfolgend wiedergegeben werden, sein mangelndes Gespür für politischen und ästhetischen Anstand, sein Defizit an Auf- und Abgeklärtheit, mich bis aufs Knochenmark davon distanziere. Pfui, pfui, pfui, so wahr mir alles, was bundesdeutschen Demokraten, ja sozial verantwortlichen Menschen überall auf der Welt heilig ist, helfe! Mein Halbbruder, der Zahnarzt, ist schuld; er und sein unverschämtes Honorar.

Der Verfassungsrichter und die Litanei um Demut
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Der Verfassungsrichter und die Litanei um Demut

Clarence Thomas ist ein interessanter Mann. Aus äußerst ärmlichen Verhältnissen stammend, eine Kindheit inmitten von Analphabetismus, des Englischen nicht mächtig, gelehrt von katholischen Nonnen, aufgestiegen zu einem der Verfassungsrichter der Vereinigten Staaten von Amerika – also (bis zu dessen Ableben) Kollege Antonin Scalias, der auf diesen Seiten bereits ausführlich zu Wort gekommen ist.

Das Interview mag zu Beginn ein wenig seltsam wirken, weil Thomas von seiner Frau interviewt wird, der Stil „kritischen“ Europäern wenig zusagen dürfte. Sehen Sie es sich bitte trotzdem weiter an. Zumal – passend in die Zeit vor Ostern – der knapp siebzigjährige Verfassungsrichter beschreibt, welche große Rolle in seinem Leben die Litanei um Demut gespielt hat und weiterhin spielt. (Siehe auch die englische Version, auf die sich Ginni und Clarence Thomas beziehen.)

Sollen wir’s wagen, etwas daraus zu zitieren, nachdem schon so vor- und nachsichtig von der „Zeit vor Ostern“ geschrieben worden ist?

Jesus, gewähre mir die Gnade, das zu wünschen, daß andere höher geschätzt werden als ich; Jesus, gewähre mir die Gnade, das zu wünschen, daß andere mehr geliebt werden als ich; Jesus, gewähre mir die Gnade, das zu wünschen, daß andere auserwählt werden und ich leer ausgehe; Jesus, gewähre mir die Gnade, das zu wünschen, daß andere Lob erhalten und ich übersehen werde; Jesus, gewähre mir die Gnade, das zu wünschen, daß andere mir in allem vorgezogen werden; Jesus, gewähre mir die Gnade, das zu wünschen, daß andere heiliger werden als ich, vorausgesetzt, daß ich so heilig werde, wie ich soll.

Kein schlechtes Alternativprogramm zur Jagd auf die sprichwörtlichen 15 Minuten Ruhm. Und daß man damit weit kommt – so weit, wie man eben soll (nicht: will) – zeigt das Beispiel Clarence Thomas‘ selbst.

Bitte klicken Sie hier, um zu dem Film zu gelangen.

Übereifrig

…er hatte ein nicht-ambivalentes Verhältnis zur Ambivalenz; für ihn war die Ambivalenz eine unter allen Umständen einzufordernde Tugend.

Ungleiche Revolutionen

Ungleiche Revolutionen

Wie das Lehrbuch Europa. Unsere Geschichte 2 die amerikanische Revolution im Vergleich zur französischen Revolution behandelt, taugt zum Lehrstück in Sachen Selbst- und Fremdtäuschung. Die Frage, ob und in welchem Maße die Vernebelung intendiert sei, muß uns dabei nicht interessieren: die Seele ist ein Haus mit verquirlten Gängen und Kammern.

Kein Geringerer als Karl Popper bedauerte die seltsam einseitige Behandlung der Revolutionen in Frankreich und Amerika:

Ich finde es tragisch, daß Europa fast immer nur dem mißlungenen Beispiel der Französischen Revolution […] Beachtung geschenkt hat, während das großartige Beispiel der Amerikanischen Revolution – zumindest im Schulunterricht – kaum zur Kenntnis genommen und fast immer mißverstanden wird. Denn Amerika hat den Beweis geliefert, daß die Idee der persönlichen Freiheit […] kein utopischer Traum ist. Das amerikanische Beispiel hat gezeigt, daß eine Regierungsform der Freiheit nicht nur möglich ist, sondern die größten Schwierigkeiten überwinden kann; eine Regierungsform, die vor allem darauf gegründet ist, die Despotie zu vermeiden – nicht zuletzt auch die Despotie der Majorität des Volkes – durch eine Teilung und Verteilung der Macht und durch gegenseitige Kontrolle geteilten Mächte. (Alles Leben ist Problemlösen, München u. Zürich 1994, S. 279)

Dies ist die beklagenswerte Tradition, in die sich das höchstoffizielle, da – ich zitiere den Fuß der inneren Titelseite – „von der Gemeinsamen Deutsch-Polnischen Schulbuchkommission mit dem Georg-Eckert-Institut – Leibniz-Institut für internationale Schulbuchforschung Braunschweig und dem Zentrum für Historische Forschung Berlin der Polnischen Akademie der Wissenschaften“ herausgegebene Lehrwerk für den Gebrauch an Schulen einschreibt.

Das Elend beginnt bereits mit der Zeichensetzung in den Überschriften. Das Kapitel zur amerikanischen Revolution trägt ein warnend-kritisches Fragezeichen: „Der Krieg um die Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten von Amerika – ein Kampf um Freiheit und Gleichheit?“ Sein Gegenstück zur französischen Revolution zeigt sich gewisser: „Von der Ständegesellschaft zur Nation gleichberechtigter Bürger“ – ohne Fragezeichen, wiewohl einzuwenden wäre, daß jene idealiter gleichberechtigten Bürger irgendwo auf dem beschriebenen Wege zu Tausenden erschossen, erschlagen, ertränkt oder guillotiniert worden seien, es also mit der Gleichberechtigung so großartig nicht bestellt gewesen sein könnte.

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25 Jahre „Anschwellender Bocksgesang“

Die Hypokrisie der öffentlichen Moral, die jederzeit tolerierte (wo nicht betrieb): die Verhöhnung des Eros, die Verhöhnung des Soldaten, die Verhöhnung von Kirche, Tradition und Autorität, sie darf sich nicht wundern, wenn ihre Worte in der Not kein Gewicht mehr haben.

Botho Strauss. Mehr hier.

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Antikriegssentiment

Papst Franziskus ließ neuerdings eine Photographie verteilen, auf der ein japanischer Junge nach dem Abwurf der Atombombe auf Nagasaki zu sehen ist. Er trägt seinen toten kleinen Bruder auf dem Rücken:

Die Lippen des vielleicht fünfjährigen Jungen sind blutig gebissen. Er steht starr am Rand eines Feldes, auf dem die Toten verbrannt werden. Er wartet darauf, bis er an der Reihe ist, um seinen toten kleinen Bruder dort abzulegen.

So Vatican News. Auf der Rückseite befindet sich der Kommentar „…il frutto della guerra“ (die Frucht/das Ergebnis des Krieges) und einige Angaben über das Bild.

Zum Anlaß – oder einem der Anlässe – des Tuns von Jorge M. Bergoglio gereichen offenbar die Spannungen auf der koreanischen Halbinsel. Doch der Blick des Papstes reicht weiter:

The gesture is consistent with Francis’s effort since his election to speak out against what he describes as a “Third World War” today, being fought in piecemeal fashion in various parts of the world.

(Diese Geste stimmt mit Franziskus‘ Handeln seit seinem Amtsantritt überein, nämlich dem Eintreten gegen etwas, das er als „Dritten Weltkrieg“ bezeichnet, geführt in Bruchstücken und kleinen Schritten in den verschiedensten Weltgegenden.)

Schön und gut. Niemand, den ich kenne, findet Krieg per se anstrebenswert. Niemand, den ich kenne, wünscht sich einen Atomkrieg herbei. Wozu also das Ganze?

„Aufklärung“ kann kaum gemeint sein. Bei solchen Angelegenheiten noch aufklären zu wollen, trüge die Eulen gleich sattelzugweise nach Athen. Denn es gibt keinen Mangel an Photographien, auf denen kindliche oder jugendliche Opfer von Kriegen zu sehen sind, und viele dieser Bilder sind bekannt oder sogar berühmt.

Zum Beispiel dieses hier aus den Tagen des deutschen Angriffs auf Polen:

Wenn es keine Aufklärung ist, was ist es dann?

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Gebotene Selbstkritik aus Anlaß der „Sh*thole Countries“-Äußerung

Gebotene Selbstkritik aus Anlaß der „Sh*thole Countries“-Äußerung

Es ziemt sich nicht, sich in unbilliger Weise über Nachbarn und andere Völker jenseits von Meeren und Bergen zu erheben. Deshalb jetzt einige selbstkritische Bemerkungen im Geiste dessen, was über Sh*thole Countries bemerkt wurde.

Michael Klonovsky, der übrigens auch eine sehr instruktive Sammlung von Leserbriefen zum Thema „Was ist ein Drecksloch?“ zugänglich gemacht hat, berichtet und kommentiert:

Am 24. Dezember gab eine Freundin meiner Frau, Pianistin auch sie, ein Essen, und einer der Gäste, ein russischer Cellist, ist auf dem Heimweg von einem Rudel junger Araber ins Koma geprügelt worden. Geschehen zu Karlsruhe in der Heiligen Nacht. Ich erzähle das, weil der Musiker diese Woche aus dem Krankenhaus entlassen wurde; er hatte eine Schädelfraktur und ein gebrochenes Fußgelenk. Die Hände sind gottlob unverletzt geblieben. Gelesen habe ich davon nirgends etwas. Die Polizei hat sich bis heute nicht dafür interessiert, dass ein durch Fremdeinwirkung schwer Verletzter in die Notaufnahme eingeliefert wurde. (Inzwischen schon; Nachtrag vom 15. Januar.) Eine Nachoperation wird notwendig sein. Ich fragte vor zwei Tagen nach einer Weltrangliste der „shithole countries“ (Donald Trump) und bin geneigt, ein christliches Land, in dem ein Musiker von einer Gruppe importierter muslimischer Primär- oder Sekundäranalphabeten ins Hospital getreten wird, weil die mit dem Feiertag der Geburt des Heilands nichts anderes anzufangen wissen, zumindest in den Kreis der Kandidaten auf diesen Schandtitel zu wählen.

Siehe auch die deutsche Hightech- und Bauprojekte betreffenden Bemerkungen auf dem Blog Science Files.