Karsten Dahlmanns: „Stefan George zwischen Antiamerikanismus und Anglophilie“ jetzt im OA verfügbar
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Karsten Dahlmanns: „Stefan George zwischen Antiamerikanismus und Anglophilie“ jetzt im OA verfügbar

Nach Ablauf der Schutzfrist ist mein Aufsatz über Antiamerikanismus und Anglophilie bei Stefan George jetzt im OpenAccess zugänglich. Sie finden ihn in der eLibrary des Verlags Vandenhoeck & Ruprecht oder hier (PDF), außerdem – mit den Fußnoten des Originals als Endnoten – einige wenige Millimeter unterhalb dieser Vorrede. Viel Freude bei der Lektüre!

I

Stefan George war kein Freund der Vereinigten Staaten von Amerika und ihrer Bewohner. Kamen Land und Leute vor dem ‚Meister‘ zur Sprache, „rümpfte Man [George – K.D.] gleich die Nase.“[1] Während eines Tischgesprächs in Minusio bemerkte der Dichter, dass „Amerika […] wohl ungefähr dem entspräche was für die Griechen die Barbarei gewesen sei.“[2] Als zur Diskussion stand, ob Friedrich Wolters für einige Monate an eine amerikanische Universität gehen solle, sprach sich George dagegen aus: „nee, um Gottes willen – wenn man da nur ausspuckt, hinterläßt man viel zu viel geist – – die pa[a]r deutschen ideen davon lebt die welt sogar der sozialismus der schund – nicht mal den können sie hervorbringen“.[3] Denn „Geist gibt’s dort nicht.“[4]

Dies ist die radikalste Variante Georgescher Amerikaverdammung; eine geringfügig mildere Abart – von Ute Oelmann aus dem Nachlass herausgegeben – gesteht
zu, dass es in der Neuen Welt ‚Geist‘ gebe, dieser aber bloß als Unterhaltung oder ergänzende, oberflächliche Motivation zu weiterer Wirtschaftstätigkeit geduldet werde:

In Amerika ist die Erziehung zum Dollar, das geistige wird dort nur geduldet, weil┌obwol xxxxx┐es doch nötig┌könnte┐damit der Dollarmensch┌macher┐nicht einschläft. (weil es vielleicht doch dazu gehört)[5]

Ob nun die schärfere oder die mildere Variante als wesentlich für Georges Denken angenommen wird: in beiden Fällen fungieren die Vereinigten Staaten als eine Art Gegenwelt. Dort herrscht, was George nicht schätzt, und dorthin lassen sich Anhänger, die den ‚Meister‘ enttäuscht oder verärgert haben, abschieben. Entsprechend bemerkte George über Percy Gothein: „Früher hat man einem solchen Menschen ein paar hundert Mark in die Hand gedrückt und gesagt, geh übers große Wasser und verschwinde!“[6]

Ein entscheidender Zug Georgescher Amerikafeindschaft besteht darin, dass sie mit den tatsächlich existierenden Vereinigten Staaten allenfalls mittelbar zu tun hat. Dies zeigt die folgende, von Edith Landmann überlieferte Äußerung, in der den Menschen in der Neuen Welt jegliche Möglichkeit abgesprochen wird, sich zum Besseren zu entwickeln:

als er [George – K.D.] von einer grässlichen rosinenbrühe erzählte, die als kalifornischer wein ausgegeben wurde, und I. [Julius Landmann – K.D.] meinte, das habe seine zeit, in 200 jahren werde es da einen possiblen wein geben, er: nie wird es ihn geben, Lumpenpack sind sie, und lumpenpack werden sie bleiben. ich weiss auch warum. aber ich werde mich hüten es zu sagen sie sollen lumpenpack bleiben[.][7]

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Grünkernsuppe mit Totalitarismus
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Grünkernsuppe mit Totalitarismus

Zum deutschen Antimodernismus.

Manfred Güllner, Chef des Meinungsforschungsinstituts Forsa, hat ein Buch über die Grünen geschrieben und Spiegel online ein Interview gewährt. Darin heißt es:

SPIEGEL: Sie beschreiben die Grünen fast, als wären sie die neuen Nazis. Die Partei habe anfangs „gegen einen pragmatischen Politikstil und gegen die sich den Notwendigkeiten der Moderne öffnende Gesellschaft“ gekämpft.

Güllner: Ich will die Grünen um Gottes willen nicht mit den Nazis vergleichen. Doch rein soziologisch betrachtet, entstammte der ursprüngliche Nukleus dieser Bewegung in der Weimarer Zeit und später der Grünen-Bewegung dem gleichen antimodernen Segment der Gesellschaft, einem radikalisierten Teil der deutschen Mittelschicht.

Was soll man sagen? Das ist nichts Neues. Jeder, der sich auch nur ein wenig mit dem deutschen (bzw. deutschsprachigen) Antimodernismus seit der Zeit Wilhelms II. beschäftigt hat, zuckt mit den Schultern: „Ja mei…“

Dennoch brodelt es in der Grünkern-Fraktion.

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