‚Freie‘ Fahrt für ‚freie‘ Bürger

Carl Christian Jancke auf Drehmoment und der Achse des Guten:

Seit dem ersten Januar 2020 müssen neue Automodelle, um als Fahrzeugtyp zugelassen werden, ein Onboard Fuel Consumption Meter haben. Ab 1. Januar 2021 gilt das für jedes neu zugelassene Auto in der EU. Die gemessenen Verbrauchsdaten müssen für jedes Auto an die EU-Kommission übermittelt werden. Big Brussels is watching you. Schließlich kann, wer den Spritzufluss misst, den Verbrauch auch rationieren, um dem ehernen Ziel des Klimaschutzes zu genügen.

Schwarzseherei, technisch nicht zu machen?

Da das Onboard Fuelmeter eine Softwarelösung in der elektronischen Motorsteuerung ist, kann mit dem nächsten Software-Update eine Funktion programmiert werden, mit der die Spritzufuhr unterbrochen wird. 100 Liter im Monat könnten reichen. Das macht die Lebensentwürfe von Millionen Menschen kaputt, die lieber auf dem Land leben und in der Stadt arbeiten oder als Selbstständiger auf das Auto mit Verbrennungsmotor angewiesen sind. Denn nur das verfügt über die erforderliche Reichweite. Aber die kann man im Namen des Klimaschutzes ja kappen.

Einer meiner Bekannten, der Freiheitsliebe und Sarkasmus zu gleichen Teilen im Herzen trägt, meint dazu nur: „Tja. Wir zahlen bargeldlos und erstellen so recht genaue Profile unserer Vorlieben und Gewohnheiten, gebrauchen ‚Gesundheitskarten‘, tragen ständig Smartphones mit uns herum, mithilfe derer sich unser Aufenthaltsort abfragen läßt. Warum sollte es unseren PKWs besser gehen als uns?“

Sicher übertreibt er, oder?

Wie dem auch sei. Eine interaktive Weltkarte, die Erdöl- und Erdgasvorräte zeigt, finden Sie auf dieser Website einer US-Regierungsbehörde. Falls mer gucke wolle, wieviel noch da is‘. Aber halt, es geht ja nicht um die Erschöpfung der Ressourcen. Es geht um’s Klima. Das ist das Wichtigste.

Sozialpartner in der Betreuungsindustrie

Sozialpartner in der Betreuungsindustrie

Ein Anblick zum Mäusemelken sind
Die fetten Keiler auf den Podien
Sinnloser Kongregationen, in Tagungszentren
Sich mästend von erpreßten Spesen,
Gottkönige des Fortschritts.

Schwerer
Bist Du zu ertragen, Kenner
Der windigen Szene, verbohrter
Jüngling und Gutmensch, Stipendien-
Schlucker,
Ressentiment im gelben Gesicht:

Verloren, jeder „Beweis“führung aus-
Geliefert, ein Rausch kenntnislosen Verdachts,
Eigener Scheuklappen Freund,
Zu feige für eigene Kinder,
Knüpfer der Schlinge, mit der Du
Wirst abgewürgt werden.

Dreist
Versprechen Dir viele, aufzustehen
Für Toleranz, gegen Unterdrückung zu ziehen
Mit dem Nachwuchs der Mauermörder.
Die Freiheit, sie wird die Partie
Verlieren. Denn es wechseln bloß
Ihr Panier die Vernichter:
Die Lust der Meute bleibt Mord.

***

Aus: Karsten Dahlmanns, Sonderlichs Sondierungen, Norderstedt 2018, über Amazon und in allen Buchhandlungen erhältlich. Eine weitere Leseprobe finden Sie hier und hier.

Der volle Titel des Gedichts lautet übrigens: „Sonderlich liest fortschrittliche Lyrik, verläßt das Haus, um sich eine Hose zu kaufen, und notiert nach der Rückkehr mit einer Feder auf einem Bogen handgeschöpften Büttenpapiers, den er mit der Überschrift „Sozialpartner in der Betreuungsindustrie“ versieht:“.

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Steinhöfel über das Netzwerk-Durchsetzungsgesetz

Das permanente Operieren mit unbestimmten Rechtsbegriffen wie „Hate speech“ oder „Fake news“ ist deshalb so geschickt, weil es Verunsicherung in die öffentliche Debatte trägt und zur Verängstigung der Menschen bei der Wahrnehmung ihrer Grundrechte führt.

Ein hörenswerter Vortrag von Joachim Steinhöfel in Berlin. Bitte klicken Sie hier, um zu dem Film zu gelangen.

Der verdeckte Lehrplan

Das bei Cornelsen erschienene Deutsch-als-Fremdsprache-Lehrbuch Prüfungstraining DSD Stufe 1 (2012) von Jürgen Weigmann läßt den Jammer unseres durchideologisierten Schulsystems deutlich hervortreten. Hören Sie selbst:

Für die meisten Tiere auf der Erde und für den Menschen bringt der Klimawandel Probleme mit sich.

So beginnt einer der Texte für eine Auswahlübung (S. 147). Gleich danach (S. 148) heißt es:

Trotz Klimaerwärmung ist das Eis in der Antarktis noch immer sehr dick und Blauwale scheinen sich im eisigen Wasser sehr wohlzufühlen.

Man hätte die sich dort tummelnden Meeressäuger als Erfolg konkreter Artenschutz-Maßnahmen feiern können, ohne eine Weltuntergangsdrohung an den Beginn zu setzen – piecemeal social engineering (Karl R. Popper) statt Apokalypse. Aber das wäre wohl zu ‚einfach‘ gewesen. Zumal ja immer noch – sorry, „noch immer“ – viel zu viele Menschen in Deutschland mit dem falschen Bewußtsein herumlaufen (S. 130):

Ich habe das Thema gewählt, […] weil ich der Meinung bin, dass wir noch viel zu wenig tun, um unsere Umwelt zu schützen.

Oder (ebd.):

Umweltschutz ist ganz wichtig. […] Wir brauchen eine Welt, die gesund und schön ist.

Das ist nett. Zumal gerade bundesdeutscher Windmühlen-Wahn die Welt ja wirklich „gesund und schön“ macht. Geht aber eine solche Bestimmung nicht schon ins Neopagane, nähert sich der Kult um Jugend und Gesundheit nicht bedenklich rechtem Gedankengut an?

Irritierend wirkt zuweilen der Zeitplan (ebd.):

Deswegen finde ich es sehr gut , dass unsere Stadt damit begonnen hat, Maßnahmen zum Schutz der Umwelt zu ergreifen.

Sollte Cornelsen diesen Text aus alten Verlagsbeständen recycelt haben? „Begonnen hat“ paßt eher zu den, sagen wir, siebziger oder achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts. Das Lehrbuch hingegen gibt 2012 als Erscheinungsjahr an, eine volle Generation später.

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Fürbitten-Kitsch

Den vielleicht heikelsten Moment einer heiligen Messe bilden die Fürbitten. Kürzlich erst durfte man – während einer deutschsprachigen Meßfeier in Krakau, aber das tut wenig zur Sache – hören, daß die Wohlhabenden doch bitte das Teilen lernen möchten. Wie banal und dumm das ist – wo doch im europäischen Teil dessen, was wir „den Westen“ zu nennen pflegen, Steuerquoten herrschen, die spätestens dann, wenn die indirekten Steuern einschließlich Inflation mitgerechnet werden, vom Lohn, Gehalt oder Sold des durchschnittlichen oder auch etwas wohlhabenderen Mitteleuropäers gewaltige Stücke abzwacken. Die Guten müssen nicht das Teilen lernen, weder in Polen, noch in Deutschland, Frankreich oder Großbritannien. Das Teilen wird für sie von Staats wegen erledigt. Eher müßten sie das Behalten und Für-die-eigene-Familie-Nutzen lernen: nachhaltigen Wohlstand für sich selbst und ihre Kinder und Kindeskinder anzulegen. (Um Letzteres mag es der festeren Familienbindung wegen in Polen besser stehen als in den anderen genannten Staaten.)

Nun möchte mancher den Einwand führen, es gehe nicht um Verdienst und Einkünfte, sondern um Wohlstand. Dergleichen wirkt mehr als drollig. Wo kommt es denn her, das Geteilte oder noch zu Teilende? Fällt es wie Manna vom Himmel? Nein, es wird erwirtschaftet. Und da das Erwirtschaftete heftig besteuert wird, wird „großzügiges“ Teilen staatlicherseits vorgenommen, bevor an private Barmherzigkeit überhaupt gedacht werden kann. – Hier sehen wir den unter Intellektuellen recht beliebten Trick, den Wohlstand von dessen Genese zu isolieren, um sogleich zu mehr oder minder geistreichen Reflexion über Prinzipien voranzuschreiten, nach denen er „verteilt“ werden solle. Daß solche Kniffe wirtschaftliche Erträge schlankerhand konfiszieren und sozialisieren – vulgo: ihren Besitzern wegnehmen -, während im Vollgefühl der eigenen Güte, gegebenenfalls auch Christlichkeit gesprochen wird, verdient kopfschüttelnd-kritische Aufmerksamkeit. Barmherzigkeit aus anderer Leute Taschen?

Wie arg die Dinge in Deutschland liegen, zeigt eine Passage aus Paul Kirchhofs Der sanfte Verlust der Freiheit (Wien 2004). Darin trägt ein Kapitel doch tatsächlich die Überschrift: „Der Steuerpflichtige darf mindestens die Hälfte behalten“.  Wie Kirchhof auf die Hälfte kommt? Er beruft sich auf das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, in dem über das Eigentum festgestellt wird, es solle „zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“ Aus diesem Passus wird das Wort „zugleich“ herausgegriffen und im Sinne eines Fifty-Fifty interpretiert:

Der Eigentumsgebrauch begründet „zugleich“, das heißt in gleicher Weise, zu gleichen Teilen, einen privatnützigen Ertrag und eine steuerliche Gemeinlast. (S.33)

Dies ist ein bemerkenswerter Gebrauch von „zugleich“. Die meisten Muttersprachler dürften über eine solche Verwendung überrascht sein; zwar wird sie bei Duden verzeichnet, aber lediglich als eine Möglichkeit unter vielen anderen, die sich weit größerer Verbreitung erfreuen – etwa im Sinne eines schlichten „auch“.  Außerdem, und das ist ein fundamentales Defizit, scheinen Staatsrechtler, die derart argumentieren, ihren Mandeville vergessen zu haben. Tröstlicherweise konstatiert Kirchhof:

Die Obergrenze in der Nähe hälftiger Teilung betrifft die Gesamtsteuerlast, muss also nach Addition von direkten und indirekten Steuern gewahrt bleiben.“ (S. 34)

Über die kulturellen Folgen dieser beständigen Konfiskation unterrichtet Wilhelm Röpke.

Eine weitere Kategorie von dämlichen Fürbitten ist mir in einer Gegend aufgestoßen, wo viele Berg- und Hüttenwerke betrieben werden; es möge den Kumpels und Hüttenarbeitern ein gerechter Lohn gezahlt werden. Was für ein schönes Beispiel für die Einbildung, etwas zu wissen, wo man nichts wissen kann. Wie hoch nämlich soll er denn sein, der „gerechte“ Lohn? Wer will so etwas bestimmen? Und nach welchen Maßgaben? Wie würde das (sehr wahrscheinlich) kaum übersehbare Geflecht von Subventionen, staatlichen Beteiligungen etc. dabei zu berücksichtigen sein? – Die genannte Fürbitte hat keinen feststellbaren Gehalt, sofern keinem bösen, bösen Marktradikalismus das Wort geredet werden soll.

Und: Natürlich haben staatliche Eingriffe ihre Tücken, nämlich ungewollte Konsequenzen. Wenn Republik X den gesetzlichen Mindestlohn anhebt, um den weniger Begüterten unter ihren Bürgern zu helfen, werden z.B. die Burger- und sonstigen günstigen Restaurants teurer. Oder Mitarbeiter werden durch Maschinen ersetzt, z.B. Bestell-Automaten. Beides dürfte kaum jemanden schmerzen – außer ebenjenen weniger Begüterten.

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Zum Begriff des Populismus

Zum Begriff des Populismus

„Populismus“ ist ein Kampfbegriff. Er dient nicht zur sachbezogenen Auseinandersetzung über Probleme und Chancen unseres Gemeinwesens, sondern dazu, den Gesprächspartner abzutun. Die Bezeichnung insinuiert, daß jemand zu sehr auf dasjenige höre, was an den sprichwörtlichen Stammtischen geredet werde, oder daß er gar an einem dieser Schreckensmöbel Platz zu nehmen pflege. In beiden Fällen wird er von der kultivierten, höflichen und gebildeten Gesellschaft für untauglich gehalten, ihre Kreise zu segnen. Und das selbst dann, wenn es mit jener Bildung nach so-und-so viel Jahren Reform-Uni nicht mehr weit her sein sollte.

Der Begriff „Populismus“ zeigt, das muß man anerkennen, recht spinnenhafte Züge: Wer gegen ihn antritt, nähert sich der Gefahr, selbst für einen von „denen“ gehalten zu werden. Da wirkt es erfrischend, wenn einige dem Vorwurf des Rechtspopulismus schlankerhand den Gegen-Vorwurf des Linkspopulismus entgegensetzen. Auf einen groben Klotz gehört ein grober Keil!

Allerdings läßt sich damit nicht das Eigentliche treffen, das den Kampfbegriff „Populismus“ so wirksam macht. Dessen Wucht nämlich verdankt sich einer Unterscheidung, von der Arthur Rosenberg in seinem Buch Demokratie und Sozialismus unterrichtet:

Endlich erschien die erste Schar der aufständischen Sieger [in der französischen Nationalversammlung], aber schüchtern, wie manchmal Arbeiter in ungewohnter Umgebung sind, taten sie nichts Böses. Da rief ein republikanischer Journalist: „Das ist ja das falsche Volk, ich werde das richtige holen!“ (1988, S. 18)

Der Populismus-Vorwurf unterscheidet zwischen dem „richtigen Volk“, d.h. jenem, das sich so entscheidet, so wählt etc., wie es die jeweilige Elite braucht, und dem „falschen Volk“. So einfach ist das. Entsprechen Ihre Ziele und Wünsche, Vorhaben und Mittel demjenigen, was die etatistisch und ökologistisch eingestellten Meinungsführer der Bundesrepublik Deutschland wollen, sind sie „verantwortlicher Bürger“, „kultiviert“ usf. – Weichen Ihre Vorstellungen mehr als marginal von diesem Kodex ab, sind Sie „Rechtspopulist“, Spinner oder Schlimmeres.

Der zugrundeliegende Mechanismus läßt sich sehr schön an den Kolumnen von Hermann L. Gremliza beobachten, der über viele Jahre als Herausgeber der (sehr) linken Zeitschrift Konkret wirkte. Nachdem die DDR auf der Müllhalde der Geschichte gelandet war, rechnete Gremliza mit den Deutschen ab. Das waren ja nun alles „Verräter“, mit denen sich kein Sozialismus bauen ließ. Jedenfalls keiner, wie Gremliza sich ihn vorstellte.

Es läßt sich tatsächlich nicht bestreiten, daß dies Volk, dem es noch nie, wenn auch auf unterschiedliche Weise, besser gegangen ist als in der BRD und in der DDR, mit dem Studium von Automobilprospekten zu sehr beschäftigt ist, um nicht den Eindruck zu erwecken, es sei zivilisiert, friedlich und vernünftig geworden. Nur in existenziell ausweglosen Krisensituationen, wenn also eine Fußballweltmeisterschaft gewonnen ist oder zwanzig rumänische Flüchtlinge ins Dorf kommen, blitzt durch die aufgeschlitzte Levis des konsumfreudigen Citoyens das alte braune Sitzfleisch. („Scheiß Deutschland“ (1990), Ein Volk gibt Gas, 1992, S. 34)

Hier haben wir alles wie auf dem Silbertablett: Ein verbitterter alter Kommunist klagt über seine Landsleute, weil sie sich den paternalistischen Bemühungen seiner Genossen in der DDR gegenüber undankbar zeigen, obschon es ihnen „besser gegangen ist“ als jemals. Er wirft ihnen Konsum-Orientierung vor („Studium von Automobilprospekten“, „Levis“), stellt aber auch fest, daß diese Konsum-Orientierung sie nur scheinbar, allenfalls oberflächlich zivilisiert habe (das Volk erweckt „den Eindruck…, es sei zivilisiert“ etc.). Es bedürfe lediglich einer größeren Sportveranstaltung oder kleineren Krise („zwanzig rumänische Flüchtlinge“) , und der nationalistische Furor der Deutschen breche wieder hervor. Denn unter dem dünnen Firnis zivilisatorischer Art seien die Landsleute Gremlizas Nazis geblieben („das alte braune Sitzfleisch“).

Augenmerk verdient der apodiktische Charakter von Gremlizas Kolumne, die übrigens zweiundzwanzig Monate vor den Ereignissen in Rostock-Lichtenhagen erschienen ist. Es geht ihrem Verfasser nicht um Einzelereignisse, sondern um Totalverwerfung. (Dergleichen wurde sogar Peter Hacks zuviel; vgl. Gremliza, „Der saubere Blockwart“ (1990), Ein Volk gibt Gas, 1992, S. 43.)

Was haben wir also vor uns? Ein großes, lautes „Ich mag Euch nicht mehr, weil Ihr nicht nach meinen Regeln spielen wollt!“ Geboren aus der Verbitterung des „klassischen“ Linken, dem die Arbeiterklasse weggelaufen ist.

Derselbe Mechanismus liegt dem Populismus-Vorwurf zugrunde. Auch dort wirkt ein großes, lautes „Ich mag Euch nicht mehr, weil Ihr nicht nach meinen Regeln spielen wollt!“ Geboren aus der Verbitterung des Sozial- oder Christdemokraten, Grünen oder Vertreters dessen, was man immer noch, vage natürlich, als Neue Linke bezeichnen darf, dem die Schäfchen weggelaufen sind.

Wie gesagt: „Das ist ja das falsche Volk, ich werde das richtige holen!“

(Bild: Winslow Homer, The Life Line, Wikimedia Commons.)